Leseprobe "Nachrichten von Herrn Etzel"
(Etzels Langversion von Shakespeares Sonett 18)
Soll ich dich keß mit einem Sommertag vergleichen?
Gott behüte!
Du bist doch eigentlich viel lieblicher und ziemlich ausgeglichen.
Die Winde schütteln so brutal die kleine, süße Weißdomblüte.
Der Sommer herrscht als Pachtherr kurze Zeit, und schon ist er verstrichen.
Die Himmelsaugensonne scheint bisweilen mit zu starker
Hitze,
und ihre gold'ne Lebensfarbe ist des öfteren so trübe,
und alles Schöne mindert sich mitunter und verliert die Spitze,
wird unansehnlich durch die Zufallsspiele und des Schicksals Schübe.
Doch niemals soll dein ew' ger Sommertag ein blasses
Ende finden,
und niemals soll die Schönheit, die dir eignet, schwächeln und
ersterben,
und niemals sollst du in der Nacht des prahlerischen Tods verschwinden
in ew' gen Zeilen wirst du wachsen und Unsterblichkeit erwerben.
Solange Menschen atmen und solange Augen sehen können,
solange lebt all dies und wird dir ständig frisches Leben gönnen.
(Etzels Kurzversion von Shakespeares Sonett 18)
Ein Sommertag du? Kein Vergleich!
Du bist doch lieb wie eh und je.
Der Sturm klopft alle Blüten weich,
Und Summertime ist schnell passé.
Die Sonne brennt mal höllisch heiß,
Und manchmal flackert sie nur trüb,
Die Schönheit endet im Verschleiß,
Das Schicksal ist ein blöder Typ.
Doch Deine Schönheit nie vergeht,
Ein Pfundskerl bleibst du immerzu,
Dem Tod entweichst du ganz beredt,
Mein Vers macht dich berühmt im Nu.
Du wirkst für alle Zeit adrett,
Weil du gebannt bist im Sonett.
|